Wie sieht das perfekte Bewerbungsfoto aus?
Immer wieder stelle ich fest, dass Kunden falsche Vorstellungen davon haben, wie sie ihr Bewerbungsfoto gestalten sollten. Dabei finde ich mich in einem gewissen Zwiespalt vor, weil ich einerseits auf die Wünsche des Kunden eingehen möchte, er andererseits aber ein überzeugendes Bewerbungsfoto von mir angefertigt bekommen möchte. Im Folgenden möchte ich kurz und knapp skizzieren, wie man am besten an das Bewerbungsfoto herangeht.
Eine Bewerbung ist immer eine Bewerbung um eine Stelle. Das heißt, dass die Stelle bereits feststeht, und Anschreiben, Lebenslauf etc. exakt so zurecht gemacht sind, dass sie auf diese eine Stelle passen. Das ist natürlich eigentlich Unsinn, weil gleichzeitig immer empfohlen wird, sich auf mehrere Stellen parallel zu bewerben - was überall die Bewerberzahlen unnötig erhöht. Aber das ist Spieltheorie, und dagegen ist nichts zu machen. Jedenfalls müsste man für jede Stelle ein passendes Foto ebenso vorweisen, wie ein individuelles Anschreiben. Natürlich muss man für zwanzig Bewerbungen nicht zwanzig Bewerbungsfotos machen. Aber zumindest sollte man sich vorab Gedanken darüber machen, wie die Unternehmenskultur in den unterschiedlichen Firmen aussieht. Falls es da signifikante Differenzen gibt, lohnt es vielleicht, bei einem Bewerbungsfotoshooting mit zwei Outfits zu planen. Es ist also immer vorab festzustellen, was man eigentlich auf dem Foto ausdrücken will: Freundlichkeit, Offenheit, Souveränität, Selbstbewusstsein, Demut, Zielstrebig- und Bodenständigkeit, Leistungsbereitschaft, Ausgeglichenheit, Empathie, Führungsstärke, Menschlichkeit, Soft-Skills, ökologisches und/oder ökonomisches Denken, Naturverbundenheit, Fortschrittseifer, Technophilie, Idealismus, Individualismus und Anpassungsfähigkeit sind nur einige klangvolle Eigenschaften, die sich teils besser, teils schlechter auf einem Foto kombiniert darstellen lassen. Der Knackpunkt ist aber, dass das, was der Kunde ausdrücken möchte nicht immer das beste für ihn ist. Darum sollte sich immer Rat verschafft werden, welches Outfit und Styling gewählt wird, vor welchem Hintergrund an welcher Location oder im Studio und in welchem Farbschema das Foto gemacht wird. Auch die Lichtsetzung hängt davon ab: Wie weich oder hart soll das Licht sein, soll das Gesicht weicher oder härter wirken, älter oder jünger, markanter oder smoother. Das muss vorher alles geklärt sein. Ebenso sollte bereits ein Grobentwurf der Bewerbung vorhanden sein, den man gut zum Fotografen mitbringen kann. Dann kann man das Foto direkt darauf ausrichten, z.B. in dem man Quer- oder Hochformat wählt, aber auch in Hinsicht auf die Ausrichtung der Schultern: Steht das Foto beispielsweise auf der Bewerbung rechts vom Text, sollten die Schultern nach links gewandt sein, ansonsten wirkt es am Ende so, als wende man sich von seiner eigenen Bewerbung ab. Die Stelle sollte also schonmal bekannt sein und die Bewerbung am besten bereits entworfen.
Wenn der erste Punkt geklärt ist, geht es noch lange nicht ans Anziehen. Es geht ans Telefon. Der Kunde soll nämlich beim Friseur anrufen und einen Termin vereinbaren. Und dieser Termin soll möglichst wenige Tage vor dem Fotoshooting stattfinden. Das ist obligatorisch. Es gibt professionelle Fotografen, die ein Fotoshooting ablehnen, wenn der Kunde vorher nicht beim Friseur war. Es ist nämlich nicht von der Hand zu weisen, dass ein gepflegtes Haupt- und Gesichtshaar (Herren in 2020/2021, Ihr seid gemeint!) absolut essentiell ist für ein gelungenes Bewerbungsfoto. Ich weise darauf hin, fotografiere meine Kunden aber auch, falls dieser Termin nicht stattgefunden hat. Trotzdem gehört er eigentlich dazu.
Kleidung. Ausgewählt hat man sie hoffentlich bereits längst, gegebenenfalls sogar extra gekauft. Die Kleidung muss im Stil der Stelle angemessen sein. Schlichte, gedeckte Farben sind heutzutage mitnichten eine Pflicht, sie müssen aber zum Hauttyp passen und natürlich die restliche Bewerbung nicht konterkarieren. Wer unsicher ist, fragt um Rat und beherzigt diesen am besten auch. Zum eigentlichen Fotoshooting hat die Kleidung in absolut tadellosem Zustand zu sein. Dabei ist egal, ob es sich um einen Kapuzenpulli oder ein konservatives Businessoutfit handelt. Die Kleidung muss perfekt (!) faltenfrei, makellos (!) sauber und in keiner Weise abgetragen sein. Letzteres würde explizit auch für den Kapuzenpulli gelten, angenommen es gäbe eine Stelle, bei der man mit einem Kapuzenpulli die besten Chancen hat. Vielleicht bei einem Kapuzenpullidesignstartup. Bei Damen gilt, dass helle, feminine Kleidung freundlicher und aufgeschlossener wirkt, dunklere und maskulinere Kleidung dominanter und energischer. Damen wählen also je nach Stelle: Um eine Facharbeiterstelle im sozialen Bereich darf eine helle Bluse mit etwas Ausschnitt getragen werden. Für eine Führungsposition in einem Wirtschaftsunternehmen darf ein schwarzer Blazer mit dunkler Bluse getragen werden, hoch schließend. Den harten Kontrast kann man später auch noch betonen durch Lichtsetzung und Schwarz-Weiß-Konvertierung.
Kopf. Der Friseurtermin liegt ja hoffentlich nicht lange zurück. Bei Frauen kann er eventuell sogar direkt vor dem Fotoshooting stattgefunden haben, falls man mit einer aufwendigeren Frisur posieren möchte (solange es nicht too much ist - ordentlich muss es eben sein). Aber auch Make-Up und die Frisur der Herren bedarf einer letzten, gründlichen Überprüfung. Man kann auch einen Visagisten ins Boot holen, der dabei hilft. Ob temporäre Hauterscheinungen überschminkt oder in der digitalen Nachbearbeitung der Bilder beseitigt werden hängt unter anderem von ihrer Quantität ab. Ich empfinde die Ergebnisse der digitalen Nachbearbeitung meist besser, wenn es sich um einzelne, auffällige Pickel handelt. Wenn sehr viele kleinere Pickel vorhanden sind oder gar eine ausgeprägte Akne, macht Make-Up oft den besseren Job. Das gilt übrigens auch für Herren. Aber auch hier bin ich nicht pingelig: Wer sich noch nie geschminkt hat und das auch nicht möchte, den retuschiere ich eben so dezent wie möglich am PC.
Letzter Check. Make-Up stimmt, Kleidung ist in Ordnung - kann es losgehen? Nein. Die Kleidung wird noch drapiert. Ein Herrenkragen z.B. hat exakt am Hals anzuliegen ohne zu drücken. Das gelingt mit Kleidung vom Maßschneider. Oder erheblich billiger, mit doppelseitigem Klebeband. Ich sage es deutlich: Ein Foto mit Krawatte ist unkomplizierter als eines ohne! Wer sich ohne Krawatte fotografieren lässt, sollte den Sitz des Kragens nicht dem Zufall überlassen. Übrigens auch nicht die Form des Kragens, aber das verweist auf Punkt eins: Die Auswahl angemessener Kleidung. Aber da heutzutage ohnehin alle dieselben Haifischkragen tragen, will ich diesen Punkt nicht weiter ausführen. Hemd oder Bluse sitzen also schonmal richtig. Beides kann noch hinter dem Rücken gerafft werden, damit es vorne wirklich perfekt sitzt. Für den Kapuzenpulli würde man entsprechend die Kapuze möglichst elegant legen und mit irgendetwas vorsichtig fixieren.
Die Körperhaltung und der Gesichtsausdruck. Hier sehe ich nicht nur bei Herren oftmals den Fehler, zu dominant und “Alpha” wirken zu wollen, selbst wenn die Stelle eine gewöhnliche Facharbeiterstelle ist und keine Führungsposition. Natürlich will jeder überzeugend rüberkommen und soll das auch. Aber jeder sollte bedenken, dass er als dominanter “Alpha” nicht in der Situation wäre, sich etwa auf eine Aushilfsstelle bewerben zu müssen. Also immer langsam, bitte. Verschränkte Arme etwa können oftmals abweisend wirken. Auch wenn die Daumen oben rausschauen. Gleiches gilt für eine gerunzelte Stirn, bei Frauen wie Männern. Meinetwegen machen wir ein paar “Alpha”-Fotos, die können ja dann ins Album oder auf Facebook kommen. Aber in jedem Fall machen wir noch ein Bild, bei dem ein echtes Lachen zu sehen ist. In der Regel ist das am Ende das überzeugendste Foto des Shootings. Etwas anderes ist es, wenn Sie sich tatsächlich um eine Führungsposition bewerben. Hier gelten etwas andere Regeln, und Ihre Führungskraft und Ihr Selbstbewusstsein darf dann auch entsprechend ins Bild gesetzt werden mit den typischen Merkmalen. Das sind z.B. eine etwas niedrigere Platzierung der Kamera (die Kamera schaut leicht auf zu einem), weniger ins Profil gedrehte Schultern, weniger Lächeln und derlei. Aber bekanntlich beinhalten die meisten Stellen keine Führung, und folglich gilt für die meisten Bewerbungsfotos tendentiell, dass eine Orientierung an einer freundlicheren, nahbareren Ausstrahlung vorteilhafter ist. Nicht zuletzt gilt: Man kann markant-dominante Gesten auch abmildern, indem man sie mit einer weicheren Geste kombiniert. Solange man darauf achtet, dass der Ausdruck insgesamt nicht dadurch inkonsistent wird, kann das eine elegante Lösung sein, eine gewünschte Pose (etwa die verschränkten Arme) nicht zu abweisend wirken zu lassen.
Und zuletzt hat man die Qual der Wahl: Der Kunde lässt sich bei der Auswahl der Fotos möglichst helfen. In der Regel ist bei guter Vorbereitung schon das erste oder zweite Foto gelungen, aber ich mache dann sicherheitshalber noch 30-60, manchmal auch noch mehr Bilder, die ich dann in der Regel auf etwa 10 Bilder reduziere. Diese bearbeite ich grob und sende sie dem Kunden zu. Es sei ihm dringend angeraten, sich bei der Auswahl von Dritten beraten zu lassen und nicht alleine zu entscheiden. Wir sehen uns selbst nämlich nur im Spiegel des Blickes der anderen. Zuletzt gibt es noch eine Möglichkeit, die eigenen Fotos bewerten zu lassen, zumindest wenn es einem nichts ausmacht, dass wildfremde Menschen das eigene Foto zu Gesicht bekommen und auch noch darüber ein Urteil abgeben. Auf Websites wie z.B. www.photofeeler.com, auf denen man im Austausch für die eigene Bewertung fremder Fotos das eigene Foto bewertet bekommt in Kategorien wie Sympathie, Attraktivität und Kompetenz, bieten diese Möglichkeit für jeden an.
Noch ein Punkt zum Thema Kosten für Bewerbungsfotos: Ein professionelles Bewerbungsfoto kostet meist zwischen 100€ und 200€, bei besonders profilierten Fotografen auch mal in Richtung 400€. Bei den teureren Optionen ist dann in der Regel noch ein Visagist beteiligt. Aber es geht auch günstiger: Für Arbeitssuchende erstattet die Agentur für Arbeit auf Antrag oftmals den größten Teil der Kosten. So kostet ein professionelles Bewerbungsfoto für 150€ dann nur noch 50€ und wird ganz schnell auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich.
Diese kurze Anleitung ist mitnichten vollständig und versteht sich eher als Minimalprogramm. Die Ausnahme bestätigt auch hier die Regel: Für manch eine Position in manch einem Unternehmen ist das “Alpha”-Foto mit verschränkten Armen, gerunzelter Stirn oder eben der Kapuzenpulli genau das richtige. Dann machen wir das so. Aber für die allermeisten Stellen ist das kein passendes Foto. Ich empfehle hierbei auch dringend die Lektüre anderer Leitfaden für gute Bewerbungsfotos, auf die ich an dieser Stelle nicht verlinke, die sich aber per Suchmaschine leicht auffinden lassen.