Warum gibt es keine professionelle Hochzeitsfotografie für ganz kleines Geld?
Eine Hochzeit muss mitnichten eine teure Angelegenheit werden. Selbst wenn es eine große Runde sein soll, und man in den eigenen vier Wänden nicht feiern möchte - wenn jeder etwas zu essen mitbringt, man auf teure Dekoration, Kleid, extravagante Details, Torte, Ringe und den Fotografen verzichtet, kostet eine Hochzeit schnell auch mal annähernd garnichts. Das geht. Aber das will nicht jeder.
Vieles an einer Hochzeit ist ja nicht bleibend. Das Kleid trägt die Braut nur einmal, das gute Essen ist nach der Mahlzeit verzehrt, die Dekoration verwelkt. Aber ein Fest lebt auch vom Überfluss. Oder um es weniger negativ konnotiert auszudrücken: Ein Fest lebt von der Fülle. Die Fülle des Festes, die Fülle des Lebens, die Fülle in Essen, Trinken, festlicher Kleidung, zusammengekommenen Freunden, Musik, Tanz… diese Fülle macht das Fest zu dem, was es ist. Eine Hochzeit, bei der man Nudelsalate isst ist nicht weniger Hochzeit als eine Hochzeit mit exquisiten Köstlichkeiten vom professionellen Caterer.
Aber das sind alles Dinge, die nicht bleiben. Natürlich erhält man von Tante Sabine eine dekorative Glasschale, von Oma Ilse das kostbare Silberbesteck und von den Freunden dies und das. Und die Eheringe, die man gemeinsam ausgesucht hat, sich gegenseitig angesteckt hat und die nach der Hochzeit so ungewohnt an der Hand drücken, die hat man ein Leben lang am Leib. Aber was all das verbindet, was es zusammenbringt und in Erinnerungen gießt, sind die Fotos der Hochzeit. Die Fotografie am Hochzeitstag ist viel mehr als Dokumentation: Sie hält die Erinnerungen frisch und kleidet sie in ein ästhetisches Gewand. Denn eine Hochzeitsdokumentation zeigt nicht einfach nur, wie es war, sondern, wie es zu sehen war.
Das Detail am Brautkleid, der Moment des Lachens oder Weinens, die Unsicherheit und Gerührtheit, aber auch die Ausgelassenheit bei der Feier - für all das hat der Fotograf ein Auge. Er ist kein Gast und feiert nicht mit. Er ist bei der Arbeit. Er sieht genau hin. Er achtet auf das, was passiert, wo es passiert und wie es passiert. Er hat Erfahrung und schon viele Hochzeiten fotografiert. Er weiß, wie er mit den Menschen umgehen muss, damit sie ihn nicht als zu störend wahrnehmen. Er pflegt und beherrscht sein Equipment, damit technisch einwandfreie Bilder herauskommen, die auch in fünfzig Jahren noch gut aussehen.
Vieles davon kann Onkel Hubert auch. Der fotografiert seit sechzig Jahren, hat viel Geld und eine teure Kamera. Aber er ist ein Gast. Und als Gast kann er nie ganz bei der Sache sein, wenn er fotografiert. Oder er fotografiert, und ist bei der Hochzeit nicht ganz bei der Sache. Beides geht leider nicht. Deshalb fotografiere ich auch keine Hochzeiten für Freunde.
Jedenfalls stellt sich die Frage, wie der Preis eines Hochzeitsfotografen eigentlich zustande kommt. Denn dieser stellt oftmals einen recht großen Posten im Rahmen der diversen Ausgaben für eine Hochzeit dar.
Ein Fotograf, von dem entsprechende Leistung verlangt wird, betreibt seine Fotografie im Gewerbe. Das ist zulassungsfrei, aber man muss Mitglied der Handwerkskammer sein. Das kostet ca. 200€ im Jahr, sofern er sich legal “Fotograf” nennen möchte. Auch wenn für gute Bilder nicht immer die neueste Technik erforderlich ist, so braucht der Fotograf zumindest halbwegs zeitgemäße Technik, vor allem aber Technik von sehr hoher Qualität. Das einerseits, weil sein Equipment makellos abbilden sollte, andererseits weil es robust und haltbar sein muss. Entsprechendes Equipment ist sehr teuer. Ein Setup aus zwei professionellen Kameras und vier hochwertigen Objektiven kostet rund 15.000€ neu. Alle paar Jahre muss man das Equipment erneuern, etwas ersetzen, reparieren oder justieren lassen. Spezielle Speicherkarten für die Kameras (CF-Express Type B - ca. 500€/500GB), Festplatten, ein leistungsfähiger, zeitgemäßer PC (pro Hochzeit entstehen in der Regel zwischen 1000 und 4000 Fotos, das sind ca. 500GB an Rohdaten), ein NAS und kostenpflichtige Bildbearbeitungssoftware bilden nur einen kleinen Teil der unsichtbaren Ausgaben.
Der Fotograf benötigt adäquate Kleidung, die bei der starken Beanspruchung (Fotos in der Hocke, viel Bewegung, scheuernde Kameragurte - auf jeder Seite hängen rund 1,5 Kilo) aber recht oft ersetzt werden muss. Er muss gelegentlich vor Ort übernachten, mindestens aber benötigt er ein auch für großes Equipment ausreichend großes Auto und hat Anfahrtkosten.
Er betreibt eine Website, oft einen Server. Er beantwortet acht ins Leere führende Anfragen, was trotz einer gewissen Standartisierung bei den Antworten auch Zeit benötigt. Er führt mindestens ein Vorgespräch mit Euch, korrespondiert mehrmals mit Euren Trauzeugen und den Verantwortlichen bei der Location. Er fährt in vielen Fällen vorab zur Location und schaut sich alles an, plant im Voraus, wann er wo stehen möchte für welches Foto.
Und mit der Miete für ein Fotostudio, Studioequipment und derlei möchte ich garnicht erst anfangen. Alles in allem hat man als professioneller Fotograf aufs Jahr gerechnet mindestens 600€, eher 1500€ im Monat an Fixkosten (ohne Studio und gegebenenfalls Assistenten), ohne einen Cent verdient zu haben. Und selbstverständlich muss auch ein Fotograf sich krankenversichern und Steuern zahlen. Auch er muss seine Familie ernähren und nicht nur zum Selbstkostenpreis sein Hobby finanzieren - andernfalls wäre er ja kein professioneller Fotograf, sondern nur ein Hobby-Fotograf, der sich von anderen sein Hobby bezahlen lässt. Und nicht zuletzt betreibt er ein Gewerbe mit einer Gewinnerzielungsabsicht - so verlangt es schon das Finanzamt. Läuft das in der Bilanz langfristig auf eine schwarze Null heraus, was bei vielen Fotografen faktisch der Fall ist, kann man es im Prinzip als gescheitert betrachten.
Das Gleiche gilt aber übrigens auch für viele andere Professionen, etwa die Musiker, die für Euch musizieren. Und selbstverständlich auch für Fliesenleger, Elektriker, Klemptner, Architekten und Hubschrauberpiloten.
Zum ganz kleinen Preis kann es also keine professionelle Hochzeitsfotografie geben. Dann müsst Ihr tatsächlich bei fotografierenden Freunden und Bekannten nachfragen. Das kann auch durchaus gut werden, denn fraglos gibt es zahllose sehr gute Hobbyfotografen. Wenn Ihr aber eine komplette Hochzeitsreportage von morgens bis abends vom Profi haben möchtet, dann geht das einfach nicht im dreistelligen Bereich.
Aber wenn es nicht der ganz kleine, sondern der halbwegs kleine Preis sein darf? Dann kann es sich lohnen, doch den Profi zu engagieren, und zum Beispiel den Zeitraum zu beschränken. Ihr könnt also z.B. statt der ganztätigen Hochzeitsdokumentation nur einen kleinen Teil der Hochzeit dokumentieren lassen, etwa die Vorbereitungen und die eigentliche Trauung plus das Gruppenfoto danach, oder sogar nur die eigentliche Trauung. Ihr könnt auch auf das Paarfotoshooting verzichten. Oder nur das Paarfotoshooting machen, je nach Euren Prioritäten.
Wo lohnt es am meisten, einen professionellen Fotografen zu engagieren? Ganz klar beim Paarshooting. Hier ist Erfahrung und Übung ein wesentlicher Faktor für gute Bilder. Auch das große Gruppenfoto, so banal es klingt, ist etwas, was recht viel Erfahrung erfordert, alleine schon weil man oft weit über hundert Menschen gleichzeitig dirigieren muss. Das kann einfach nicht jeder. Da braucht es die perfekte Mischung aus Freundlichkeit und Bestimmtheit, manchmal ziemlich viel Lautstärke und doch Einfühlungsvermögen - für ein paar Minuten muss der Fotograf kurz mal die Führung über eine sehr große Gruppe übernehmen, nicht mehr, nicht weniger. Ich habe auf schon vielen Hochzeiten erlebt, wie Trauzeugen z.B. ein Spalier errichten wollten, aber die beschwipste Hochzeitsgesellschaft einfach nicht in den Griff gekriegt haben. Wenn ich merke, dass die Trauzeugen heillos überfordert sind, frage ich die Trauzeugen unauffällig und ganz behutsam: Soll ich das in die Hand nehmen? Das wird dann dankbar angenommen. Eine Minute später steht ein perfektes Spalier. Ein Seil kann man nicht schieben und eine Gruppe kann nicht jeder führen. Hier scheitern wirklich nicht wenige. Aber das ist an einer Hochzeit zwischendurch ein paar Mal nötig, und insbesondere beim großen Gruppenfoto z.B. nach der Kirche braucht es wirklich Erfahrung, wenn das wirklich gut werden soll. Dafür gibt es dann auch ein super Foto mit tiptop Stimmung, auf dem alle die Augen auf haben, lachen und gut zu sehen sind - ja, durchaus auch bei weit über hundert Gästen ist das zuverlässig möglich. Die eigentliche Reportage, die Dokumentation der Vorbereitung, das Ankleiden der Braut und des Bräutigams, die Dekoration, Momentaufnahmen der Stimmung ist dagegen weniger anspruchsvoll was Übung und Erfahrung und Technik betrifft. Hier bedarf es des fotografischen Blickes, und den kann ein Hobbyfotograf ebenso oder beinahe ebenso haben. Es bleibt aber der meiner Meinung nach gravierende Punkt, dass der Fotograf nie zugleich Gast sein kann und immer außen vor bleibt. Wenn Ihr also einen Freund fragt, ob er für Euch fotografieren soll, bedenkt, dass das nicht dasselbe ist wie eine Einladung zur Hochzeit.
Was aber, wenn Ihr nun am falschen Ende gespart habt? Meine Frau und ich haben als wir geheiratet haben einen Bekannten einer Bekannten als Hochzeitsfotografen engagiert. Er war damals Student der Fotografie und fraglos ein kreativer Kopf. Er hat eine für damalige Verhältnisse geringe bis mittelmäßige Bezahlung verlangt (wir haben ihm 900€ bezahlt), und wir hofften einfach, er würde das gut machen. Wir führten ein sehr nettes, ausführliches Vorgespräch und waren in vielerlei Hinsicht auf einer Wellenlänge.
Als wir die Bilder bekommen haben, stellte sich dann aber doch eine gewisse Ernüchterung ein. Zahllose Bilder waren nicht präzise fokussiert, d.h. die Schärfeebene des Bildes lag vor oder hinter dem eigentlich angepeilten Objekt. Denkt Euch ein Gruppenfoto, bei dem die Hecke im Hintergrund scharf ist, und nicht die Gesichter der Personen. Damals waren Spiegelreflexkameras das Mittel der Wahl, wenn es um anspruchsvolle Fotografie ging. Ich möchte in diesem Blogeintrag nicht auf technische Details eingehen, aber die Kurzfassung lautet: Bei Spiegelreflexkameras wird nicht vom Sensor fokussiert, sondern von einer separaten Autofokuseinheit. Minimale Toleranzen in der Fertigung sorgen dafür, dass Objektive und Kameras entsprechend justiert werden müssen, und zwar im Zweifelsfall miteinander justiert werden müssen. D.h. eine Kamera wird vom Service auf ein Referenzobjektiv justiert, und die eigenen Objektive müssen dann exakt auf die eigene Kamera justiert werden und bringen dann auch nur auf dieser Kamera die beste Leistung. Wenn man Glück hat, ist das nicht notwendig, aber oftmals ist es das.
Bei unseren Hochzeitsfotos waren so viele Fotos fehlfokussiert, dass ich davon ausgehe, dass er entweder grob überfordert mit der Technik war, etwa weil er sich anlässlich der Hochzeit unvertrautes Equipment geliehen oder gemietet hat, oder dass ein technischer Mangel vorlag. Jedenfalls waren die Mehrzahl der Bilder nicht korrekt fokussiert. Das wäre einem Profi definitiv nicht passiert, weil er die optimale Funktion seines Equipments ständig selbst kritisch hinterfragt, und es außerdem einmal jährlich zum Service bringt.
Weiterhin bearbeitete unser Fotograf die Bilder in einem einheitlichen Farbschema - googelt mal “teal and orange”. Das ist ein modischer Farblook, bei dem die Farben angeglichen werden und zum Schluss hauptsächlich zwei bis drei Farben im Bild übrig bleiben. Das macht die Fotos sehr einheitlich und konsistent und ist auch ästhetisch ansprechend, aber auch etwas, woran man sich sattsieht nach einer gewissen Zeit. Achtet auch in Hollywoodfilmen mal darauf: Oftmals kommen nur zwei bis drei Farben zum Einsatz. Das bestimmt den “Look” des Bildes oder Filmes und ist eine Modeerscheinung, gegen die per se nichts einzuwenden ist. Auch ich kann diesen Look problemlos erzielen, das ist ganz einfach. Aber wir haben uns sehr schnell daran sattgesehen und hätten sehr gerne etwas neutralere Fotos gehabt, die die Farben eher natürlich zeigen.
Als ich ihn dann ein paar Jahre später angeschrieben habe und fragte, ob er mir - sozusagen unter Kollegen - die alten RAW-Dateien (die Rohdaten der Kamera, in denen alle Farbinformationen gespeichert sind, die der Sensor aufnimmt) zukommen lassen könnte, sodass ich die Bilder nochmal nach unserem Geschmack bearbeite, musste er passen: er hatte sie nicht mehr. Seine Begründung: Er entsorge seine Bilder regelmäßig, weil sonst seine Festplatte voll wird. Hier ist mir innerlich der Kragen geplatzt, denn aus dieser Aussage lassen sich mehrere Dinge ableiten, die absolut unprofessionell sind. Erstens: Eine volle Festplatte ist für ihn überhaupt ein Thema. Für einen Profi sind Festplatten ein Verbrauchsgut und werden nachgekauft, noch bevor die alten voll sind. Zweitens hat er offensichtlich kein Backup seiner Daten erstellt, weil er von “seiner Festplatte” sprach. Bei einem Datenverlust wären alle Fotos seiner Kunden verloren gegangen. Und drittens betreibt er keine langfristige Archivierung seiner Bilder.
Um diesen Exkurs zur Pointe zu bringen: Ein professioneller Fotograf speichert die Hochzeitsfotos bereits in der Kamera redundant auf zwei Speicherkarten, zieht sie zuhause (oder bereits unterwegs) auf seinen Rechner und von dort auf sein NAS oder eine andere separate Speichermöglichkeit. Zusätzlich werden sie dann auf eine räumlich getrennte Festplatte gezogen, bevor sie von der Kamera gelöscht werden. Das heißt, bei einem Profi sind die Bilder zu jedem einzelnen Zeitpunkt mindestens doppelt gespeichert, ab dem heimischen Workflow immer dreifach gespeichert, dabei an mindestens zwei verschiedenen Orten, von denen einer offline und vom Strom abgetrennt ist. Bei mir (und wohl allen seriösen Kollegen) liegen die Bilder also zuerst doppelt auf der Kamera, dann auf der Kamera und dem Rechner, dann auf der Kamera, dem Rechner und dem NAS (im Keller), dann auf Kamera, Rechner, NAS (im Keller) und Archivfestplatte (im Safe). Erst dann lösche ich die Bilder von der Kamera. Die Bilder verbleiben dann auf Rechner, NAS und Archivfestplatte, bis ich sie gesichtet, sortiert, bearbeitet und an den Kunden übergeben habe. Sobald der Auftrag komplett abgeschlossen ist, lösche ich sie vom Rechner. Die Bilder verbleiben aber dauerhaft auf dem NAS und der räumlich getrennten, vom Strom abgetrennten Archivfestplatte im feuerfesten Safe. Von dort werden sie niemals gelöscht. Wenn der Speicher voll ist, wird zusätzlicher Speicher gekauft. Das gehört einfach dazu wie die Kamera und ein 85mm Objektiv. Andere Fotografen haben andere Workflows und Speicherlösungen, aber meine Methode ist eine häufig praktizierte im professionellen Bereich. Unser Fotograf war kein Profi. Wir haben am falschen Ende gespart. Die Fotos waren nicht gut, und es war auch keine Chance mehr da, etwas im Nachhinein zu verändern, da sie kurzum vom “Fotografen” entsorgt worden waren.
Im Übrigen ist das mitnichten der worst case. Der ist natürlich, dass es gar keine Fotos gibt. Auch das kenne ich zumindest von einem Fall aus dem Bekanntenkreis. Da gab es schon ziemlich lange Gesichter, als es nach zwei Jahren (!) Vertröstung hieß, es kommen leider keine Fotos mehr. Das hat indessen auch das Verhältnis zu der Person beschädigt. Ich würde heute Fliesen nur vom Fliesenleger legen lassen und mein Haus nur vom Architekten planen lassen. Und mir nur vom Arzt den Blinddarm entfernen lassen.
Der Preis der Hochzeitsfotografie kommt also zustande, weil es ein Handwerk ist, und weil der Fotograf ein Handwerker mit eigenen Ausgaben, finanziellen Verpflichtungen und selbstverständlich Gewinnerzielungsabsicht ist. Er ist nicht beliebig verringerbar, weil das Handwerk zuverlässig vor Ort ausgeführt werden muss. Darum hat eine ganztägige Hochzeitsreportage mit Paarshooting und allem drum und dran ihren Preis. Aber: Ihr erhaltet zuverlässig gute Bilder, die Ihr ein Leben lang behaltet. Und wenn Euch die Bude abbrennt, könnt Ihr den Fotografen - so er denn noch lebt - ausfindig machen und habt recht gute Chancen, dass er die Bilder auch nach Jahren vielleicht noch archiviert hat.